Ein Dorf mit 5000 Einwohnern

Die Entstehung des Ortes Praust ist geschichtlich nicht nachzuweisen, geschichtlich erwähnt wird er aber schon 1307. Sicher ist, daß schon in vorgeschichtlicher Zeit an dieser Stelle menschliche Ansiedlungen bestanden haben, was durch Urnengräberfunde bestätigt wird. So hat man bei der Zuckerfabrik einen ostgermanischen Friedhof aus der späten vorrömischen Zeit entdeckt. Dieser Friedhof enthält aber auch Gräber aus der römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit. Ferner ist auf dem Gelände des katholischen Friedhofes 1926 ein ostgermanisches Gräberfeld entdeckt und in ihm ein als das jüngste bis jetzt anzusehende Ostgermanengrab, das in die Zeit um 600 n. Chr. gehört.

Praust ist schon von jeher ein ansehnlicher Ort gewesen. Das zeigt ein Bericht des Rates der Stadt Danzig aus dem Jahre 1585, welcher von einer Revision der höbeschen Ortschaften berichtet. Darin wird festgestellt, daß das Dorf Praust 20 Wirte, 3 Schulzen, 4 Rathleute, 6 Schöppen und 28 Gärtner hat; von letzteren besitzen 20 eigene Gärten und 8 gepachtete. Ferner sind in diesem Dorfe 2 Fleischbanken, 2 Brotbanken, 6 Kretschmer (Schänken) und 2 Hakenbuden.

Als einziges Bauwerk von Anno dazumal ist nur noch die alte Kirche übrig geblieben, die bereits im Jahre 1367, also zur Ordenszeit, vorhanden gewesen ist.

Jahrhundertelang ist Praust das größte und reichste Dorf auf der Danziger Höhe gewesen und ist in den vielen Kriegen vergangener Jahrhunderte oftmals schwer heimgesucht worden. Im Jahre 1433 plünderten es die Hussiten aus, 1454 und 1460 wurde es abgebrannt. 1520 wurde Praust von den nach Ostpreußen ziehenden Ordenssöldlingen und 1563 von den Truppen des Herzogs Erich von Braunschweig gebrandschatzt. 1627 und 1628 plünderten die Truppen Gustav Adolfs das Dorf völlig aus. Im zweiten polnisch-schwedischen Krieg waren es die Truppen des General Stenbock, die in ähnlicher Weise in Praust hausten.

Eine schwere Leidenszeit hatte der Ort Praust im unglücklichen Kriege 1806/07 und der darauf folgenden Zeit durchzumachen. Truppendurchmärsche von Preußen und Russen, welche Danzig verteidigen sollten, gelangten durch Praust Am 7. März 1807 wurde das Dorf Praust von den Feinden angegriffen. Nach einem blutigen Gefechte auf der Russoschiner Feldmark, versuchten die Feinde den Ort Praust über Gischkau zu umgehen, da Praust von Oberst Schüler und Major Wustrowski tapfer verteidigt wurde. Die Preußen zogen sich auf St. Albrecht zurück, und Praust wurde am 9. März 1807 von den Franzosen besetzt. Diese richteten in der Kirche ein Pulvermagazin ein und leiteten am 12. März die Radaune ab. Am 28. April begann das Bombardement der Stadt Danzig, und am 24. März mußte diese kapitulieren. Napoleon I. kam am 1. Juni selbst über P raust nach Danzig. Im Frieden zu Talent wurde Danzig zu einem Freistaat gemacht, und Praust kam zu dem neuen Freistaat. Praust hatte Ende des Jahres 1807 76 Feuerstellen und 749 Einwohner.

Durch sich wiederholende Einquartierungen französischer, polnischer und sächsischer Truppen hatte der Ort schwer zu leiden.

Desgleichen wurden die Einwohner in maßloser Weise in Anspruch genommen, um die großen Geldforderungen des französischen Gouverneurs, General Rapp, zu befriedigen.

Seit April 1812 hatte Praust das eigenartige Schauspiel, bei dem Durchmarsch eines Teils der "Großen Armee" auf dem Feldzuge nach Rußland fast alle Nationen Europas kennenzulernen. In bunter Reihenfolge kamen: Spanier, Portugiesen, Italiener, Franzosen, Schweizer, Polen, Bayern, Sachsen, Württemberger, Rheinbündler. Der Einmarsch dieser Truppen in das Danziger Gebiet glich einem feindlichen Einfall; mit Ungestüm und unter Mißhandlung der Bewohner nahmen sie alles fort, was sie irgend fanden. Ende Dezember begann das Rückfluten der vernichteten Armee.

Am 20. November 1813 kapitulierte die Stadt Danzig. Jetzt begann der Abmarsch der französischen Garnison, 3000 Mann polnische Truppen mit 230 Offizieren unter Fürst Radziwill gingen bis Praust mit aufgepflanztem Gewehr; hier mußten sie die Waffen abliefern und wurden entlassen. Am 3. Februar 1814 wurde der "Freistaat" aufgelöst und seine Einverleibung in Preußen verkündet.

Jetzt beginnt eine neue Ära in der Entwicklung des Dorfes Praust, welches jetzt eine selbständige Ortschaft wird. Bisher gehörte hier der Grund und Boden der Stadt Danzig; Praust war ein Kämmereigut, und die Bauern mußten an die Stadt den Grundzins zahlen, konnten aber niemals Besitzer auf ihrem Hofe werden. Dieses wurde nun allmählich beseitigt. Für die Verwaltung wurde in Danzig ein Oberpräsidium und eine Königliche Regierung und für den umgebildeten Danziger Landkreis am 1. Juni 1818 ein Königliches Landratsamt eingerichtet. Letzteres wurde dem bisherigen Kgl. Polizeirat Treuge übertragen und vorläufig in dem leerstehenden Gutshause in Russoschin untergebracht. Der Grundbesitz wurde nun durch Umwandlung des Grundzinses in Renten Eigentum der bisherigen Inhaber, so daß nun jeder Bauer Besitzer auf seinem Hofe und des ihm zugewiesenen Landes wurde. Dem Magistrat verblieb in Praust nur das Grundeigentum an dem Mühlen und Schleusengrundstück sowie das Patronat über Kirche und Schule. Der Ort hatte aber als dauernde Last zusammen mit den anderen zum Höheschen Kreise gehörenden Dörfer die Reinigung der Radaune und die Unterhaltung des Radaunedammes zu tragen. Die Pfarrhufen wurden an Pächter auf 50 Jahre verpachtet; sie erhielten gleichzeitig das Recht, Wohnhäuser auf dem Pachtlande zu errichten. Dadurch entstanden das sogenannte Prauster Pfarrdorf und der Hofacker.

Im Jahre 1824 wurde das Landratsamt von Russoschin nach Praust verlegt und blieb hier bis zum Tode des Landrats Treuge im Jahre 1844. Sein Nachfolger, Landrat Pustar, verlegte das Landratsamt nach Danzig.

Im Jahre 1819 wurde in Praust mit dem Bau der Chaussee nach Danzig begonnen, welche auf der andern Seite über Dirschau nach Bromberg weitergeführt wurde. Im Jahre 1860 bestand die Bevölkerung von Praust bereits aus 1540 Seelen. Einen großen Umschwung in den Verhältnissen hatte der Bau der Eisenbahn Danzig - Dirschau hervorgerufen, deren feierliche Einweihung im Jahre 1852 erfolgte. In demselben Jahre wurde auch die Chauseeabzweigung vom Dorfe bis zum Bahnhof, die Bahnhofstraße, gebaut.

Einen weiteren großen Umschwung in den Verkehrs- und Erwerbsverhältnissen brachte der Bau der Zuckerfabrik, der im Jahre 1880 vollendet wurde. Die Zuckerfabrik, die eine ständige Stammbelegschaft von etwa 150 Mann hatte, beschäftigte in der Zeit, da die Rübenverarbeitung stattfand, rund 500 Mann. In den ersten Wochen werden täglich etwa 25000 Zentner Zuckerrüben per Achse und mit Wagen und Fahrzeugen herangerollt Etwa eineinhalb Millionen Zentner Zuckerrüben wurden während der Zuckerkampagne, die von Anfang Oktober bis Ende Dezember dauerte, verarbeitet. Die Ausbeute belief sich auf rund 225000 Zentner Zucker. Ein Speicher riesigen Ausmaßes nahm die Zuckermengen in Säcken mehrere Meter hoch aufeinander gestapelt auf. Täglich wurden aber auch rund 15000 Zentner nasse Schnitzel, auch grüne Schnitzel genannt, hergestellt, die ein sehr hochwertiges Viehfutter waren. Diese wenigen Zahlen mögen beweisen, was hier geleistet wurde und welche wirtschaftliche Bedeutung der Zuckerfabrik zukam.

Im Jahre 1882 wurde die Verbindungschaussee von Praust nach Straschin gebaut, und in demselben Jahre wurde mit dem Bau der Eisenbahn nach Karthaus begonnen; infolgedessen mußte der Bahnhof in Praust erweitert und umgebaut werden. Im Jahre 1897 wurde auch der Bau der neuen Kreischaussee von Russoschin über Kladau nach Sobbowitz fertiggestellt. Eine weitere Chaussee wurde von Praust in das Werder nach Groß-Zünder und eine andere von Praust über Groß-Kleschkau nach Schöneck gebaut. Praust wurde damit der Schnittpunkt wichtiger Verkehrsstraßen und dieses war von förderndem Einfluß auf seine Entwicklung. - So ergab die Volkszählung am 1. Dezember 1900 bereits 2675 Einwohner und durch neu erstandene Kleinsiedlungen stieg die Einwohnerzahl im Jahre 1939 bereits auf rund 5000 Seelen.

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Die alte Ordenskirche in Praust. Eine Kirche war bereits um 1367 vorhanden, sie wurde jedoch zwischenzeitlich von Hussiten, Polen und Schweden niedergebrannt. Eine gründliche Erneuerung erfuhr das Gotteshaus im Jahre 1831. Der Schmuck der Kirche war sehr beachtenswert.

Quelle: Danziger Hauskalender 1990