Rund um den Landjahrteich
Erinnerungen an ein Stückchen Paradies in Praust


Landjahrteich - für uns Kinder und Jugendliche, die wir in der Nähe wohnten, ein gern gebrauchtes Wort. Landjahrteich - das klang wie Ferien, wie Spiel, wie Abenteuer. Es handelte sich um ein größeres Grundstück am Fabeckweg mit der sogenannten Coh'nschen Villa, dem dazugehörigen ausgedehntem Park und einem Nutzgarten mit Obstbäumen. Die Attraktion für uns aber war der Teich mit einer von hohen B äumen bewachsenen kleinen Insel. Dazu gehörte natürlich ein Floß, mit dem man die Insel erreichen konnte.

Für einige Wochen im Sommer kamen junge Frauen aus verschiedenen Teilen Deutschlands hierher, um ihr "Landjahr" abzuleisten. Da war es für uns verständlicherweise nicht so leicht, uns in diesem Gebiet zu bewegen. Aber es reizte auch jetzt, unsere ,,Besitzansprüche" geltend zu machen. Dafür eigneten sich speziell die Apfelbäume. Wir mußten uns von der abgelegenen Wiesenseite mit Maschendrahtzaun anschleichen. Zwei mußten Schmiere stehen, einige schüttelten die Baume und die übrigen stopften die Äpfel in ihr zum Beutel geschürztes Hemd. Wir hatten zwar selber genug Äpfel zu Hause, aber die geklauten schmeckten eben besonders gut. Außerdem machte es einen "Heidenspaß", "Dieb" zu spielen und die Landjahrsleitung auszutricksen.

Ein spannendes Spiel war das Wettsegeln mit selbstgebastelten Schiffchen auf dem kleinen See. Wir setzten unsere Schiffe je nach Windrichtung ins Wasser, rannten wie die Wilden um den Teich zur Gegenseite und erwarteten hier das Ergebnis der Wettfahrt. Dies wiederholten wir mehrmals; denn möglichst viele von uns wollten sich ja als Sieger feiern lassen. In den großen Ferien war "Soldatchen" spielen angesagt, aus heutiger Sicht keine empfehlenswerte Idee für Kinder. Gustav Winskowski, 14 Jahre alt, war unser "Hauptmann". Morgens Appell auf dem dafür vorgesehenen Platz mit Fahnenstange. Wir "röhrten" zwei bis drei Lieder und ließen ein paar nichtssagende Sprüche ab. Aber es fehlte uns noch die Fahne. " Ich hab ne Rotzfahn!", meldete sich mein Bruder Siegfried. Und schon wurde das Fähnchen feierlich hochgezogen. Plötzlich machte es "Klick", und das nicht mehr ganz frische Taschentuch blieb oben hängen und flatterte fröhlich im Prauster Wind. Die komische Situation wurde zum Problem. Es gab nur einem Ausweg: Nichts als weg! Vorbeigehende Leute empfanden unser etwas mißglücktes Spiel offenbar als eine Art Gotteslästening gegenüber der Fahne, die sonst an dieser Stelle flatterte und die nach deren Glauben, "mehr als der Tod" war. Die "Unverschämtheit" wurde angezeigt. Der Leidtragende war Puttchen Neuman, dessen Vater als Schupo sogleich Nachforschungen anstellte. Wir anderen kamen mit einer kräftigen Verwarnung davon. Zwei Tage später trafen wir uns wieder an der Stelle unserer "Schandtat" und schauten schmunzelnd an der leeren Fahnenstange hoch.

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Höhepunkt waren unsere Spiele auf dem zugefrorenen Landjahrteich Nicht selten konnten wir schon im Oktober Schlittschuh laufen. In den Ferien fesselte uns der winterliche Teich von morgens bis abends. Eishockey war natürlich unser liebstes Spiel. Die Schläger und den Puck schnitzten wir uns selbst aus den Büschen am Teich. Es wurden spannende Turniere veranstaltet. Aber bevor wir spielen konnten, mussten wir arbeiten und die inzwischen entstandene Schneedecke mit vereinten Kräften wegräumen. Und soviel Schnee verführte uns immer wieder, die Arbeit zu vergessen. Das Zwischenspiel hieß Schneeballschlacht, bei der es manchen unangenehmen Treffer ins Gesicht gab. Selbst Schifahren war möglich. Die Bahn verlief vom Fabeckweg aus, an der Villa vorbei, hinunter bis zum Teich. Die größeren Jungen, zu denen Benno Selke und mein Bruder gehörten, wagten vor zahlreichen applaudierenden Zuschauern ein halsbrecherisches Schlittschuhspringen hinweg über mehrere aneinandergestellte Schlitten.

Einige von uns kamen auf die Idee, im Winter Fische zu fangen. Dazu schlugen wir Löcher ins Eis und lockten die Fische mit Brotkügelchen an die Oberfläche. Ab und zu gelang es uns, ein paar Plötze zu erwischen. Als Bratfisch waren sie für uns eine köstliche Mahlzeit.

Die ziemlich dicke Eisdecke des Teiches eignete sich im Frühjahr zur Gewinnung von Kühleis für Stanitzkes Getränkekeller. Für uns Kinder war es ein Schauspiel, wenn die Arbeiter anrückten, das Eis in große Würfel sägten und auf besonderen Wagen abtransportierten.

In der Rückschau eines Erwachsenen muss ich - auch im Vergleich zu den beschränkten Spielmöglichkeiten heutiger Kinder - sagen: Der Landjahrteich als Spielplatz hat uns Kinder reich gemacht, reich an wunderschönen Erfahrungen, die uns bis ins Alter hinein begleiten.

Quelle: Werner Pohl - ehemals: Dirschauer Str. 22